„Die Krise zeigt, wen und was man unbedingt braucht zum Leben und Überleben. Die Krise schuf ein neues Ranking. Die Corona-Krise veranschaulicht, Familien sind die wahren Helden/Innen des Alltags. Stillstand geht bei ihnen nicht, sie müssen funktionieren. Fast hätten wir das vergessen, vielleicht sogar aus Verlegenheit verschwiegen. Der Internationale Tag der Familie kommt gerade jetzt wie gerufen, um das Krisenmanagement der Familien unter die Lupe zu nehmen“, stellt der ISUV-Vorsitzende, Rechtanwalt Klaus Zimmer fest.
Kitas geschlossen, Schulen geschlossen, Spielplatz geschlossen, Kontaktsperre mit Freunden, die Kinder sind auf engen Kontakt mit den Eltern angewiesen. Diese befinden sich urplötzlich im Hamsterrad angetrieben durch Beruf, Kinder, Familienleben auf engstem Raum: Eltern arbeiten nicht mehr im Büro, sondern sind im Homeoffice, Kinder gehen nicht mehr in die Schule, sondern sind im Homeschooling. Schließlich soll die Familie auch noch Home sweet Home sein – trautes Heim, Glück allein – für alle Familienmitglieder. „Familien haben in der Krise alle Leistungen anderer Einrichtungen und Gruppen übernehmen müssen. Alle Anforderungen ohne Vorbereitung unter einen Hut zu bekommen, ist nicht einfach. Das gilt im besonderen Maße für getrenntlebende Paare. Für die Bewältigung der Pandemie ist die Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern von unschätzbarem Wert. Diese Krisenerfahrung wird und muss Familienpolitik künftig einen höheren Stellenwert geben“, fasst der stellvertretende CDU/CSU Fraktionsvorsitzende Thorsten Frei zusammen.
Familie braucht Unterstützung
Die Corona-Krise hat weltweit die sozialen und ökonomischen Schwächen des jeweiligen Staates aufgedeckt. Überall sind die Regierungen gefordert. „Auch in der Krise helfen wir den Familien in vielfacher Weise. Sei es mit dem Kinderzuschlag, der Entschädigung bei Verdienstausfall aufgrund der Kinderbetreuung, mit 500 Mio. EUR für die beschleunigte Digitalisierung an Schulen, der Anpassung des Elterngeldes oder mit dem Kündigungsschutz für Mieter“, hebt Frei zu Recht hervor. Allerdings helfen diese Maßnahmen Eltern nur bedingt aus dem Krisenmodus herauszukommen, sprich zu entschleunigen.
Durch die Corona Krise wurde innerhalb kürzester Zeit in Deutschland ein Digitalisierungsschub ausgelöst, mit dem sich Eltern in mehrfacher Hinsicht konfrontiert sehen. Nicht selten sind Mama im Homeoffice, Papa im Homeoffice und Kinder mit Homeschooling konfrontiert. „Um diese Situation zu bewältigen und Kinder für die Zukunft vorzubereiten, brauchen Familie Hilfen. Es ist notwendig, dass jetzt möglichst bundeseinheitlich ein Lehrplan und digitale Lernmethoden entwickelt werden. Es ist notwendig, dass Kinder aus armen Familien gezielt in der Schule digital geschult und unterstützt werden“, fordert der ISUV-Vorsitzende Zimmer.
Es geht aber nicht ohne die Eigeninitiative der Eltern selbst. Sie sollten digitale Netzwerke bilden, um sich gegenseitig zu unterstützen und so zu entschleunigen. Dabei kann der Staat die Eltern unterstützen, indem er die digitale Infrastruktur schafft und somit Eltern zur Bildung von Netzwerken einlädt.
Bekannt, aber gerne verdrängt wurde, Alleinerziehen funktioniert im „normalen Alltag“ nur bedingt. In der Krise hat sich gezeigt, Alleinerziehende sind überfordert. „Wie soll das ein Elternteil schaffen, rund um die Uhr betreuen und dann noch berufstätig sein?“ fragt Daniel Föst und stellt fest: „Wenn sich nach einer Trennung Eltern die Verantwortung teilen, dann hilft das nicht nur in Krisenzeiten Eltern und Kindern.“
Der ISUV-Vorsitzende Zimmer fordert daher „familienrechtliche Konsequenzen“ aus der Krise zu ziehen: „Geschiedene und ihre Kinder kann man krisenfester machen durch eine Reform des Familienrechts. Diese Reform muss sich am Leitbild ´Getrennt, aber gemeinsam Erziehen’ orientieren, Trennungseltern fördern statt Alleinerziehen. Auch das dient der notwendigen Entschleunigung der Eltern und nützt den Kindern.“
Von Retraditionalisierung und Abhilfe
Die Leistungen von Familien in der Krise wurden jüngst von Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, relativiert und kritisiert. Sie verdrängt, dass Familie primär informelle Funktionseinheit sein muss. Sie richtet den Focus auf Rollenverteilung in Familien, da wiederum auf die Frauenrolle. Sie will in den sechs Wochen Lockdown eine „Retraditionalisierung“ der Frauen festgestellt haben. Frauen seien in traditionelle Muster zurückgefallen, Kinder und Küche nicht Karriere ständen plötzlich wieder im Vordergrund. Allmendinger kritisiert: „Retraditionalisierung ist ein fast noch verharmlosendes Wort. Es ist zu schmusig, zu nett. Es geht um den Verlust der Würde von Frauen, von Respekt, von Rechten.“ Sie fordert, dass Männer mehr Familienarbeit leisten müssen. „Sie verdrängt, dass es inzwischen viele Männer/Väter gibt, die gerne mehr betreuen würden, wenn die Frau/Mutter dies zulassen würde. Wir kennen genügend Beispiele, dass und wie sich viele Frauen/Mütter gerade in der Krise abgeschottet, Umgang verweigert, erweiterte Betreuung abgelehnt haben“, merkt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler an.
Familie muss funktionieren, gerade in Krisen. „Über Familienrollen kann – sollte - man durchaus offen diskutieren. Allerdings unter der Maßgabe, dass die Betroffenen frei und ohne soziale Abwertung entscheiden, wie sie Familienleben gestalten wollen. ISUV empfiehlt deswegen einen Ehevertrag abzuschließen und dort die Rollen abzustecken“, schlägt Linsler vor. Die Reaktion auf diesen Vorschlag sei allerdings oft „sehr ernüchternd“. Verkürzt ausgedrückt meinen Betroffene, nicht zuletzt Frauen, wenn man einen Ehevertrag abschließe, brauche man „gleich gar nicht heiraten“. Sozialforscherin Allmendinger und der ISUV müssen noch viel Aufklärungsarbeit leisten.